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  • planbe5

Flug nach Arras


Während erste Frühblüher schon mit dem Bienenwerben beginnen, ist es nachts nochmal so richtig kalt.

Da fiel mir eine Textpassage ein, die ich vor vielen Jahren gelesen habe. An das Bild, das sie beschreibt denke ich oft: Das morgendliche Entfachen einer Feuers.

Besonders hier in der Hütte, mit Raureif auf den Wiesen und Eisblumen am Fenster.


Es ist eine Passage aus dem Buch "Flug nach Arras" von Antoine de Saint-Exupery. In diesem beschreibt er quasi autobiographisch seine Zeit als Pilot der Französischen Armee. Er soll 1940, Aufklärungsbilder von den Gebieten machen, die von den Deutschen besetzt wurden. Den Tod vor Augen wird ihm die Bedeutung des Lebens und der Beziehungen, die man knüpft, bewusst. So erinnert er sich an Orconte, ein kleines Dorf, in dem er zuerst stationiert war.


Dieser Beitrag ist ein kleiner Teil des Projektes "Literatur am Wegesrand"


"Ich wohnte in Orconte, einem Dorf in der Gegend von Saint-Didier, wo meine Gruppe den sehr strengen Winter 1939 über lag, in einem Bauernhaus aus Lehmfachwerk. Da fiel nachts die Temperatur so tief, dass sie das Wasser in meinem ländlichen Topf in Eis verwandelte, und meine erste Handlung vor dem Ankleiden bestand einfach darin, Feuer zu machen. Doch diese Handlung erforderte, dass ich das Bett verließ, in dem ich mich warm fühlte und mich wohlig zusammenrollte.

Nichts schien mir herrlicher als dieses einfache Feldbett in dieser leeren, eiskalten Stube. In ihm genoss ich die Seligkeit der Ruhe nach anstrengenden Tagen. In ihm genoss ich auch die Sicherheit. Nichts drohte mir in ihm. Tagsüber konnte sich mein Körper in ein Schmerzenslager verwandeln und wahllos zerrissen werden. Tagsüber gehörte mein Körper nicht mir. Nicht mehr mir. ... Nun dieser Körper ... ließ mich nichts anderes spüren als seine Lebenslust, sein wohliges Schnarchen. Aber ich musste ihn doch aus dem Bett herausbringen, ihn mit dem eiskalten Wasser abwaschen, rasieren und anziehen, um ihn standesgemäß den Granatsplittern hinzuhalten. Und dieses Verlassen des Bettes war, als risse ich mich aussenden Armen der Mutter, aus dem mütterlichen Schoß, aus allem, was in den Jahren der Kindheit einen kindlichen Körper zärtlich liebt, streichelt und umhegt.

Nachdem ich so meinen Entschluss lange erwogen, reiflich überlegt, immer wieder hinausgeschoben hatte, biss ich die Zähne zusammen und sprang mit einem Satz zum Kamin, wo ich einen Holzstoß umwarf und mit Benzin übergoss. Sowie ich ihn dann angesteckt hatte und ein zweites Mal glücklich durch die Stube gesaust war, vergrub ich mich von neuem in meinem Bett, in dem ich meine herrliche Wärme wiederfand und von dem aus ich, in Decken und Überbett bis aufs linke Auge vergraben, mein Feuerchen beobachtete. Zunächst kam es noch gar nicht recht in Gang, dann aber gab es ein kurzes Aufflackern, das bis zur Decke strahlte. Dann begann es sich darin einzunisten wie ein Fest, das in Gang kommt. Es fing an zu knistern, zu fauchen, zu singen. Es war lustig wie eine Bauernhochzeit auf dem Dorf, wenn die Menge anfängt zu trinken, warm zu werden und sich in die Seiten zu stoßen.

Oder aber es kam mir so vor, als würde ich von meinem üppigen Feuer wie von einem rührigen, treuen und flinken Schäferhund bewacht, der seine Sache gut verstand. Wenn ich es so betrachtete, empfand ich ein inneres Jubeln. Und wenn das Fest im schönsten Gange war mit seinen Schatten, die an der Decke tanzten, und seiner goldig-warmen Musik und sich an den Seiten Schin die Glut aufbaute, wenn meine Stube ganz erfüllt war von jenem geheimnisvollen Rauch- und Harzgeruch, dann wechselte ich mit einem Satz von einem Freund zum anderen, ich lief von meinem Bett zu meinem Feuer, ich ging zu dem freigiebigeren, und ich weiß nicht recht, briet ich mir an ihm den Bauch oder erwärmte ich mir an ihm das Herz. Zwischen zwei Versuchungen hatte ich kraftlos der stärkeren, der glänzenderen, jener nachgegeben, die mit ihrer Fanfare und ihren Blitzen sich besser aufs Werben verstand.

So hatte ich dreimal, erst um ein Feuer anzustecken, dann mich wieder hinzulegen und schließlich, um die Flammenglut auszukosten, dreimal mit klappernden Zähnen die leeren und vereisten Steppen meiner Stube durchmessen und so etwas von Polarexpeditionen kennengelernt. Ich hatte die Wüste durchquert zu einer glücklichen Rast hin und war dafür belohnt worden durch dieses üppige Feuer, das vor mir, für mich seinen Schäferhundtanz tanzte."

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